Herausforderungen von Remote-Work auf Organisationsebene
Marcel Baumgartner, Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW
Wenn wir über Remote-Arbeit sprechen, geht es meist um die damit verbundenen Herausforderungen, Risiken und Chancen für die einzelnen Mitarbeitenden oder für die Teams. Wie können oder sol-len sie sich verhalten und organisieren, damit sich das remote Arbeiten möglichst positiv auf das Wohlbefinden, die Motivation und die Produktivität auswirkt?
Dieselbe Frage stellt sich allerdings auch auf Organisationsebene. So wird beispielsweise oft von un-zureichender Orientierung in Organisationen berichtet, was Erreichbarkeit oder Verhalten bei Krank-heit im Home Office anbelangt (Tanner et al., 2014). Man kann davon ausgehen, dass dies heute et-was positiver ausgestaltet ist und die Frage nach der Erreichbarkeit in der Situation mit COVID19 und verordnetem Home Office eine grössere Aufmerksamkeit erhalten hat. Allerdings gibt es auch Hin-weise, dass viele Unternehmen sich in dieser Ausnahmesituation zum ersten Mal mit solchen Frage-stellungen auseinandergesetzt haben und die entsprechenden Regelungen eher rudimentärer Natur sind (Naumann et al., 2020).
Grundsätzlich liegt die Schwierigkeit für Unternehmen darin, den Mitarbeitenden genügend Orientie-rung zu Erwartungen, Freiheiten und Pflichten beim mobilen Arbeiten zu geben, ohne durch eine Überregulierung den Handlungsspielraum zu stark einzuschränken – ein schmaler Grat.
Für folgende vier Themenfelder gibt es gute Hinweise, dass es sich für Organisationen lohnt, den Mit-arbeitenden mithilfe einer Policy Klarheit zur diesbezüglichen Haltung des Unternehmens zu geben:
Häufigkeit von Home Office resp. mobiler Arbeit
In der Literatur finden sich häufig Zahlen von maximal zwei bis zweieinhalb Tagen Home Office pro Woche. Knapp zwei Drittel der Beschäftigten verspüren spätestens nach ein bis zwei Tagen im Home Office den Wunsch, ihren Kolleginnen und Kollegen im Main Office wieder zu begegnen (Gisin, Schulze, Knöpfli & Degenhardt, 2013).
Genehmigungsprozess
Genehmigungsprozesse für Home Office sind in einigen Organisationen obsolet, da Arbeiten im Home Office eigenverantwortlich beschlossen werden kann und blosses Informieren der Führungskraft bzw. des Teams ausreicht. Falls aber Genehmigungsprozesse nötig sein sollten, sollten diese möglichst einfach und pragmatisch gestaltet und auf einer tiefen hierarchischen Ebene angesiedelt sein. Viele Unternehmen berichten von positiven Erfahrungen mit der Genehmigung von Home Office durch die direkte Führungsperson. Die HR-Abteilung oder die nächsthöhere Ebene werden bei dieser Variante nur bei Ablehnung mit einer Begründung der Ablehnung beigezogen (Krause, Schulze & Windlinger, 2018).
Erreichbarkeit
Dieser Aspekt wird von oft von Mitarbeitenden als unklar geregelt empfunden (Tanner et al., 2014) und kann deshalb zu Unsicherheiten führen. Gleichzeitig ist es ein Aspekt, der nur schwierig sinnvoll auf Organisationsebene geregelt werden kann, ohne dass dies als Überregulierung empfunden wird. Dieses Risiko kann ein Unternehmen entschärfen, indem es die Ausformulierung einer Abmachung zur Erreichbarkeit explizit an die Teams delegiert. Hierbei ist allerdings eine klare Kommunikation der Organisation (inkl. Aufzeigen der Vorteile dieses Vorgehens) zwingend notwendig.
Bei der Ausarbeitung der Abmachung in den Teams sollte das Abwägen zwischen ständiger Erreich-barkeit und der Möglichkeit über einen längeren Zeitraum konzentriert arbeiten zu können im Zentrum stehen (Dettmers, 2017).
Krankheit und Home Office
Oftmals fehlt eine klare Unternehmens-Leitlinie zum Aspekt Krankheit im Home Office, was rasch zu einer zweistufigen Definition von Krankheit führen kann (Dahlke et al., 2018). Es gilt dann oftmals die
Logik «zu krank um ins Büro zu gehen, aber gesund genug, um von zu Hause aus zu arbeiten». Um Präsentismus (trotz Krankheit arbeiten) und dessen negative Auswirkungen zu vermeiden, sollte eine klare Unternehmens-Policy kommuniziert werden im Sinne von «wer krank ist, sollte sich erholen und nicht arbeiten – weder im Büro noch zu Hause.»
Literatur
Dahlke, L., Haß, K., Lutsche, S., Risch, C. & Virga, P. (2018). Interessierte Selbstgefährdung im Home-Office: Eine qualitativ-empirische Untersuchung am Beispiel von HR-Beschäftigten. Universität Hamburg.Dettmers, J. (2017). Ständige Erreichbarkeit und erweiterte Verfügbarkeit–Wirkungen und Möglichkei-ten einer gesundheitsförderlichen Gestaltung. Digitale Arbeit–Digitale Gesundheit. BKK Gesundheits-report, 167-174.
Gisin, L., Schulze, H., Knöpfli, D., & Degenhardt, B. (2013). Schweizerische Umfrage «Home Office 2012»–Aktuelle Bedingungen sowie Vor- und Nachteile aus Sicht von Routiniers. Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Olten, S, 86.
Krause, A., Schulze, H., & Windlinger, L. (2018). Mobil-Flex-Arbeit und Gesundheit. Betriebliches Ge-sundheitsmanagement: Grundlagen und Trends-Fokus auf die psychische Gesundheit, 76-97.
Neumann, J., Lindert, L., Seinsche, L., Zeike, S. J., & Pfaff, H. (2020). Homeoffice-und Präsenzkultur im öffentlichen Dienst in Zeiten der Covid-19-Pandemie.
Tanner, A., Bratoljic, C., Baumgartner, B., Steffen, M. & Schulze, H. (2014). Regelungen für mobil-flexible Arbeit im Spannungsfeld zwischen Formalisierung und Flexibilität. Wirtschaftspsychologie, 4, 23–35